Die Erzählung vom Nonnenfels ist zweifellos – nicht zuletzt wegen ihrer reizvollen und stimmigen Handlung – eine der bekanntesten in der Pfalz. Die Grafentochter Adelinde verliebt sich in einen Knappen, aber die Beziehung wird von ihrem grausamen Vater sabotiert:

Früher lebte auf der Hardenburg ein Graf, der war rau und wild. Er verachtete alle Menschen und wollte sich an keine göttlichen oder menschlichen Gebote halten. Derselbe hatte, nebst anderen Kindern, ein Töchterlein, Adelinde, die war gerade das Gegenteil ihres Vaters, sanft und mild, wie ein höheres Wesen.
Ein Knappe, dessen Vater Vasall des Grafen war, gewann ihr Herz, und sie liebte ihn mit der ganzen Glut der ersten und innigsten Zuneigung. Lange lebte das Pärchen in seliger Wonne, bis endlich der Vater hinter das Geheimnis kam; hoch ergrimmt über den Frevel seines Dieners, konnte sich der Knappe kaum noch vor dem Zorn des Erbitterten retten, und Adelinde musste harte Behandlung erdulden. Der Vater wollte sie einem anderen Ebenbürtigen vermählen, aber sie wählte lieber das Leben in einem Kloster, um des Vaters Fluch nicht auf sich zu laden. In diesem Vorsatze wurde sie noch mehr dadurch bestärkt, dass sich der Geliebte im Liebeskummer dem Kreuzzug angeschlossen und daselbst rühmlichen Tod gefunden hatte. Sie lebte fortan nur seinem Andenken und beschäftigte sich besonders mit der Kräuterkunde, um Kranken zu helfen.
Immer zog es sie aber nach der lieben Heimat, und sie machte sich daher mit einer treuen Klosterschwester auf, begab sich in die Nähe der Hardenburg und richtete sich auf diesem Felsen eine dürftige Hütte zu. Täglich betete sie daselbst, als verzeihende Christin, für ihren Vater und ihre Familie; ihr Name wurde auch bald bekannt, indem sie durch ihre Kunst manche Krankheiten heilte, ohne dass der Vater sie beachtete. Da trug es sich zu, dass der Graf auf der Jagd stürzte, und nahe schien sein Ende, sodass der Jammer und das Wehklagen aus der Burg bis zum Felsen drang. Da machte Adelinde sich auf, diesen Gang als einen Fingerzeig und Ruf des Himmels betrachtend, und mit bebendem Herzen betrat sie die Hallen der väterlichen Wohnung. Ihre Kunst siegte, durch ihr Gebet unterstützt; der Graf genas und allgemeiner Jubel herrschte in der Burg.
Der Graf ging mit seiner Familie zu dem Felsen, um seiner Retterin, die ihm gleich einer Himmelsbotin erschien, zu danken. Bei diesem Besuch erkannte der Graf seine Tochter. War durch ihre Kunst seine Wunde geheilt, so ging jetzt noch eine wunderbare, heilsamere Veränderung in seinem Innern vor, und er wurde ein guter Herrscher und Vater. Alle Bitten, Adelinden zur Rückkehr nach Hardenburg zu bewegen, waren jedoch fruchtlos; sie blieb auf dem Felsen, betete für die Ihrigen und lebte nur für leidende Unglückliche bis zu ihrem seligen Hinscheiden. Feierlich ließen sie die Ihrigen bestatten und ihr Andenken blieb noch lange im Segen. Seitdem nannte man den Felsen, den sie bewohnte, den Nonnenfelsen, und noch kann man ihren Altar, so wie auch zwischen den beiden Felsen, wo sich ihr dürftiges Lager befand, die Einschnitte bemerken, wo die Türe und Riegel befestigt waren.

Nach Johann Georg Lehmann, 1834.
*Nach Alexander Thon: Von Märchen, Mythen und Sagen. Erzählungen zu 28 ausgewählten Burgen in der Pfalz und im Nordelsass, Lahnstein 2024, S. 72f.

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Der Mönchskopf auf Hartenburg
Vor dem Hintergrund historisch nachgewiesener Spannungen zwischen den Grafen von Leiningen als Herren auf der Hardenburg und dem benachbarten Kloster Limburg erklärt seine Schilderung ein architektonisches Detail der Burgruine, nämlich den am achteckigen Treppenturm eingefügten sogenannten Mönchskopf:

An dem Treppen-Türmchen erblicken wir einen nach Limburg sehenden, eingemauerten Mönchskopf, von welchem uns die Sage Folgendes berichtet. Der Abt von Limburg hatte einst mit dem Grafen in Hartenburg einen schweren Streit (woran es nie mangelte) wegen allerlei rechtlicher Angelegenheiten. Schwer war es, zu entscheiden, wer Recht habe oder Unrecht; der Abt pochte auf seine Privilegien, der Graf auf sein Schwert.
Endlich zeigte sich der Graf geneigt, die Sache gütlich auszugleichen, und auf freundschaftliche Einladung kam der Abt nach Hartenburg gezogen, ohne Begleitung, keine Hinterlist ahnend. Der Graf, hocherfreut über diesen Besuch, ließ den geistlichen Herrn anfangs köstlich bewirten, um ihn zutraulich zu machen, und fing dann von ihrem Streit an zu sprechen. Da aber der Abt gar nichts zugestehen wollte, so änderten sich des Grafen Züge, und auf ein gegebenes Zeichen traten mehrere Gewaffnete in das Gemach, denen er mit donnernder Stimme den Befehl gab, den Abt ins Verließ zu werfen. Umsonst war dessen Sträuben, Pochen, Toben und Verwünschen!
Nur Bitten und Nachgeben konnte den Grafen besänftigen, aber der Abt bat nicht, noch viel weniger gab er nach, und wurde also eingeworfen. Da kamen dann die Klosterknechte von Limburg angezogen, ihren verratenen Herrn zu befreien; sie fingen an zu stürmen, aber sie zerschellten mit blutigen Köpfen an den harten Mauern der hohen Burg. Der dumpfe Kerker, das trockne Brod und das klare Wasser erweichten indessen in einigen Tagen das Gemüt des Abtes so, dass er willig nachgab und die ganze Streitigkeit gütlich beilegte. Darauf ward er von Seiten des Grafen mit einem Ehrentrunke, so wie bei seinem Ausritt mit dem Spott und Hohn der Knappen und Stallbuben entlassen, und zum Andenken an diese Begebenheit wurde dieser Mönchskopf gemeißelt, und nach Limburg sehend an diesem Türmchen eingemauert.

Nach Johann Georg Lehmann, 1834.
*Nach Alexander Thon: Von Märchen, Mythen und Sagen. Erzählungen zu 28 ausgewählten Burgen in der Pfalz und im Nordelsass, Lahnstein 2024, S. 74.

 

  • Gut zu wissen: Zahlreiche Legenden und Erzählungen ranken sich um die Burgen der Pfalz und des Oberrheins. Sie handeln von geheimnisvollen, mythischen und auch grausamen Geschichten, die sich angeblich im Mittelalter dort zugetragen haben sollen. Aufgeschrieben und ausgeschmückt wurden sie im 19. Jahrhundert, in dem das Mittelalter wiederentdeckt wurde.
  • *Die Erforschung der Erzählungen wurde finanziert durch das Projekt INTERREG Burgen am Oberrhein. Lesen Sie hier den gesamten Forschungsbericht.